Wir gehen Trekken im Himalaya von Nepal. Unsere Tipps für die Wanderug auf dem Annapurna Circuit. Und Pokhara ist ideal, um sich auf den Annapurna Circuit vorzubereiten und sich von ihm zu erholen.
Cold Heart Mountain Top
Pokhara, Annapurna Circuit Trek, Nepal
3. – 16. Dezember 2011
Endlich auf nepalesischem Boden, merken wir schnell, dass Welten zwischen hier und dem nur wenige Meter entfernten Indien liegen. Das Visum (30 Tage, 40 US-Dollar) haben wir unbürokratisch innerhalb weniger Minuten und auch Busticket nach Pokhara, Geldwechsel und Frühstück klappen dank Hilfe von superfreundlichen und entspannten Locals in Nirvana und Iron Maiden-Shirts. Nepal liegt 15 Minuten vor Indien – damit wollen die Nepali zeigen, dass sie nicht nur ein Anhängsel Indiens sind!
Der Bus, der uns in die Berge bringen soll, ist etwas besser als die indische Klappermaschine, doch die Fahrt nach Pokhara dauert auch wieder fast zehn Stunden. Versüßt wird die holprige Reise allerdings durch nepalesische Pop-Musik, die nette und wissbegierige Buscrew (alle um die 15, mit allen Mädels entlang der Straße flirtend) und schöne Landschaften mit grünen Hügeln und reißenden Flüssen. Pokhara gefällt uns auf Anhieb. Wir finden ein günstiges Guesthouse (5 Euro/Zimmer) und lassen uns zum ersten Mal seit Wochen wieder westliches Essen schmecken. Die Spinat-Canneloni im „Zinnia Fans“-Restaurant sind göttlich und das Nepal Ice-Bier gewinnt auf jeden Fall gegen das indische Kingfisher. Wir schlafen den Schlaf der Gerechten. Leider haben wir uns aus Indien beide eine Erkältung mitgenommen, so dass wir es am nächsten Tag ruhiger angehen lassen. Zwar besorgen wir uns schon die Permits für den Annapurna-Trek, beschließen aber sofort, noch einen weiteren Ruhetag einzulegen, bevor es ins Himalaya-Gebirge geht.
Annapurna Circuit – die Etappen
Tag 1, Pokhara-Besi Sahar-Syange: Wir nehmen erst den Bus ins vier Stunden entfernte Besi Sahar und entscheiden uns, mit einem Jeep nach Syange die nicht wirklich attraktiven ersten Kilometer des Annapurna Circuit Treks auf der von Autos befahrenen Straße zu sparen. Im Guesthouse lernen wir den Franzosen Bastien kennen und werden schnell zum Trio. Mit dem Sonnenuntergang spüren wir die Kälte. Dabei sind wir erst auf 1130 Metern. Wie soll das erst im Hochgebirge werden?
Tag 2, Syange-Karte (Kotro), 16 km: Uns steht ein langer Tag bevor, deswegen sind wir früh auf dem Annapurna Circuit. Unsere großen Rucksäcke sind schwer, 12, 13 Kilo, und der Weg steigt stetig an. Für den Abschnitt von Chamche nach Tal brauchen wir fast doppelt so lang als eingeplant. Der Anstieg ist schwer, anders als in Neuseeland ist der Trail nicht präpariert, sondern der Natur überlassen. Als wir uns in Tal stärken, sitzt bereits die chinesische Gruppe aus unserem Guesthouse in Syange dort, die wir schon vor Stunden überholt hatten. Wir verstehen die Welt nicht mehr. Wo haben die uns denn überholt? Sind wir den falschen Weg gelaufen? Aber wir haben noch eineinhalb Stunden bis Karte/Kotro vor uns und die Sonne hat sich auch schon beinah verzogen, will heißen: Keine Zeit zum Grübeln! Mit der Dunkelheit erreichen wir die erste Lodge, in der es aus allen Ecken windet. Egal, wir brauchen nur ein Bett und noch ein paar Momos zur Stärkung.
Tag 3, Karte-Chame, 18 km: Als wir morgens aufbrechen, ist es noch bitterkalt. Dafür geht es uns dreien körperlich erstaunlich gut. Wir durchqueren die ersten Dörfer, bis Danaque ist das Laufen recht einfach. Der Anstieg bis nach Timang ist allerdings ein Killer und wir schnaufen aus dem letzten Loch, als wir uns im Gipfelrestaurant niederlassen. Unsere ständigen Begleiter, die Chinesen, sind natürlich schon da und brechen kurze Zeit später wieder auf. Wir machen gute Miene und lassen uns von unseren nun als Erzfeinde deklarierten Mit-Wanderen fürs Homevideo filmen. Bastien und Henning können einfach nicht glauben, dass die Asiaten fitter als wir sind. Als wir den Trupp kurz vor unserem Tagesziel Chame einholen, ist die Welt wieder in Ordnung. Abends sitzen wir im Schlafsack beim Abendessen. Wir sind nun auf 2700 Metern und das Thermometer im Zimmer zeigt minus 5 Grad an…
Tag 4, Chame-Pisang, 20 km: Wir lassen es locker angehen. Doch der Anstieg nach Dhukur Pokhari hat es mal wieder in sich. Unterwegs lernen wir Romain aus Bordeaux und Koreaner Paul kennen. Vor allem Paul (47, aufgewachsen in den USA, 25 Jahre in der Air Force, nun im Ruhestand, aktueller Wohnort Italien, totaler Wander- und Fahrradfan, kennt aber auch jeden Spieler der Bundesliga, hat vorher schon den Everest Base Camp Trek gemacht) hat viel zu erzählen, so dass wir uns beim Lunch gerne unterhalten lassen. Nach Lower Pisang ist es nicht mehr weit. Wir sind früh dran, die Sonne scheint, also wandern wir (ohne Gepäck) ins höher gelegene Upper Pisang. Die Aussicht auf die verschneiten Annapurnas ist genial. In einem Kloster bekommen wir noch eine Zeremonie mit und lernen drei Spanier kennen. Viele Menschen sind derzeit nicht auf dem ACT (Annapurna Circuit Trek) unterwegs, die Saison ist bereits vorbei und einige der Lodges und Restaurants schon dicht. Nach ein paar Tagen in den Bergen kennt man sich. Abends spielen wir mit den Kindern in unserem Guesthouse Kniffel und schauen „Kevin allein zu Haus 2“ auf einem Flachbildschirm! Ja, die Nepalesen, die Hütten auf dem ACT betreiben, gehören sicherlich nicht zu den ärmsten Menschen des Landes. Einige Wenige der Besitzer haben sogar Penthouses in Dubai als Zweitwohnsitz und schicken Ihre Kinder zum Studium in die USA.
Tag 5, Pisang-Manang, 23 km: Nach einem Gespräch mit dem Guide der Spanier entscheiden wir: Wir nehmen den schwereren und längeren Upper Trail nach Manang. Die Aussichten sollen mit die schönsten auf dem ganzen Annapurna Circuit sein. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Nach Ghyaru (3730 m) geht es im Zickzack konstant nach oben. Wir fluchen und pusten, doch als wir erschöpft oben ankommen, ist jede Anstrengung vergessen. Mehr als ein „Wow“ kriegen wir nicht heraus. Gemeinsam mit den sich zum Gebet einfindenden Dorfältesten schauen wir fassungslos auf die sich wie an einer Schnur aneinanderreihenden Gipfel. Nach ein paar Schokoriegeln finden wir auch unsere Sprache wieder und stocken unser Trio um Noam (Israel) und Brad (USA) auf. Der Ami hat „vergessen“, überflüssige Sachen aus seinem großen Rucksack in Pokhara zu lassen und schleppt noch einiges Gepäck mehr als wir mit sich rum. Darunter unter anderem 24 Snickers (Noam wird nicht müde, stündlich vorzurechenen: 24x60Gramm=1,4kg!), 1 Kilo Kekse (!!) und 1 Kilo Cracker (!!!). Dabei wird selbst der größte Vielfraß bei der riesigen Anzahl an Tee-Kiosk-Stuben auf dem Annapurna Circuit niemals Hunger leiden müssen. Die Strecke nach Manang zieht sich, auf unser Mittagessen in Ngawal müssen wir ewig warten, so dass es fast dunkel ist, als wir ankommen. Die Touri-Hochburg auf dem Trek (mit Kino!) wirkt wie ausgestorben. Wir winken auch Romain in unser Guesthouse und verbringen einen gemütlichen Abend am Feuer.
Tag 6, Akklimatisierungstag Manang: Lange schlafen klappt nicht wirklich, wenn man schon um 20, 21 Uhr ins Bett geht. Um Höhenkrankheit vorzubeugen, legen wir einen Ruhetag in Manang (3500 m) ein. Wir wandern zum Ganggapurna Glacier und klettern entlang des atemberaubend blauen Gletscher-Sees hoch bis zum Teeshop, der leider seinen Saisonbetrieb eingestellt hat. Nachmittags verabschieden wir das sich neugebildete Team FR-ISR-USA, das einen mehrtägigen Extraweg in Richtung des Tilicho Lakes machen will. Wir bleiben alleine zurück.
Tag 7, Manang-Letdar, 10 km: Heute stehen nicht viele Kilometer, dafür aber ein Höhenunterschied von 700 Metern, auf dem Programm. In Sachen Altitude Sickness nicht ungefährlich. Aber bislang fühlen wir uns gut, keine Blasen, keine größeren Schmerzen. Aufgrund der Temperaturen warten wir, bis die Sonne da ist und wandern zunächst nach Yak Kharka. Wir treffen auf die Spanier, sind also nicht ganz alleine unterwegs. Gut. Wir erreichen früh das Guesthouse in Letdar und spielen mit der kleinen Tochter der Besitzer. Am späten Nachmittag trudeln noch fünf junge Franzosen, ein Russe sowie Israeli Aviv mit seinem Guide Pandey ein.
Tag 8, Letdar-Thorung Phedi, 5 km: Die kurze Etappe nach Thorung Phedi zum Fuße des gefürchteten Thorung-La hat es in sich. Wir kämpfen uns durch die Windschneise und müssen uns auf dem schmalen Pfad teilweise gegen den Berg drücken, um nicht weggeweht zu werden. Bei einem Teestopp bitten wir die Verkäuferin, die Tür zu schließen. Es stellt sich heraus. Die Hälfte der chinesischen Gruppe hat aufgegeben und ist per Helikopter (!!!!) zurück nach Pokhara geflogen. Deren Reiseversicherung dürfte sich freuen. In Thorung Phedi stürmt es heftig. Im Gegensatz zu den recht guten und sicheren Unterkünften in Pisang oder Manang schlafen wir mal wieder nur in einer Hütte, die fast auseinanderfällt. Veras Nacken- und daraus resultierende Kopfschmerzen verschlimmern sich und wir liegen nur im Bett. Abends im Gemeinschaftsraum beschließen die Franzosen, der Russe, Aviv/Pandey und wir: Es geht zusammen über den Pass. Eine ältere Französin und ein holländisch-britisches Paar schließen sich an.
Annapurna Circuit – Auf dem Thorung La Pass
Tag 9, Thorung Phedi-Muktinath/Jomsom, 16/35 km: Wegen Sturm und Aufregung macht fast niemand ein Auge zu. Der Tag der Pass-Überquerung ist da! Wir stehen um 3 Uhr auf, frühstücken Brei und brechen gegen 4.15 Uhr auf. Eine Stunde lang kämpfen wir uns in der Dunkelheit zum Highcamp herauf. Es windet schrecklich und ist bitterkalt. Wir wärmen uns schnell mit einem Tee auf, weiter geht es. Bis zum Pass sind es noch fast zweieinhalb Stunden, die einem während des Laufens wie Ewigkeiten vorkommen. Der Anstieg ist anspruchsvoll, aber machbar. Doch die unglaubliche Kälte auf 5400 Metern und der unberechenbare Wind setzen allen zu. Manchmal können wir nicht weiterlaufen, versuchen uns nur, gegen einen Felsen zu drücken. Finger und Zehen frieren ein. Durch das Einatmen der kalten Luft werden Lunge und Oberkörper ganz kalt. Erste Zweifel kommen auf, ob wir das schaffen. Doch was sollen wir tun? Zurückgehen ist auch keine Option. Und dann sind wir auf einmal da! Keine zehn Minuten halten wir es bei dem Sturm aus. Wir machen nur schnell Fotos, gratulieren uns, einige weinen vor Erschöpfung und Erleichterung. Der Abstieg wartet. Nach knapp einer Stunde wird es windstiller, die Sonne kommt heraus. Auf einem Plateau ruhen wir uns etwas aus, atmen durch, realisieren so langsam, dass wir es wirklich geschafft haben. Der Annapurna Circuit. Wow. In einem Teeshop eine Stunde vor Muktinath legen wir eine lange Pause ein, warten auf Nachzügler. Spontan entscheiden wir: Wir hören auf, nehmen noch heute den Jeep nach Jomsom. Auf tagelange Wanderungen hat nach dem Pass niemand mehr Lust. Am Nachmittag steht Sightseeing in dem sowohl für Hindus als auch Buddhisten heiligen Ort Muktinath auf dem Programm. Danach bringt uns ein seit zwei Wochen 16-jähriger Fahrer halsbrecherisch aber heil nach Jomsom. Wir sind unbeschreiblich müde und so froh, als wir endlich im Bett liegen.
Tag 10, Jomsom-Tatopani: Um 6.30 Uhr sitzen Aviv, Pandey und wir bereits wieder am Frühstückstisch. Da niemand genau weiß, wann Busse nach Tatopani fahren, wollen wir früh los. Bald darauf sitzen wir in einem alten Möhrchen und sind mittags schon am Zielort. Tatopani wirkt fast wie eine andere Welt. Nur noch 1200 Meter hoch, alles grün, Bäume, Früchte, Wärme. Zu viert verbringen wir den ganzen Nachmittag in den Pools der heißen Quellen. Nach der körperlichen Höchstleistung der vergangenen Tage ein Traum.
Tag 11, Tatopani-Pokhara: Das war’s mit dem Annapurna Circuit Trek. Statt zu wandern, sitzen wir den ganzen Tag im Bus zurück nach Pokhara. Wir verabschieden uns mit innigen Umarmungen vom großartigen Pandey, für den es direkt nach Kathmandu geht, da er dort am nächsten Tag seine Prüfung als Climbing-Guide ablegen will. Wir können diesen sympathischen Typen nur jedem Trekker wärmstens ans Herz legen. Erfahren, hilfsbereit, kommunikativ (sehr, sehr gutes Englisch) und ein verdammt cooler Humor. Ende 2011 arbeitete er für die in Pokhara und Kathmandu sitzende Agentur Swissa, aber vielleicht kann man ihn auch direkt buchen. Wir haben für ernsthaft Interessierte seine Kontaktdaten.