Ilha Grande & Paraty, Brasilien // 23. – 28. Januar 2011
Durchgefroren von der Klimaanlage im Bus nach Angra dos Reis, wärmen wir uns mit einem halbstündigen Gewaltmarsch mit komplettem Gepäck zum Dock der Fähre auf die Ilha Grande auf. Dort verbünden wir uns mit Ella und Phil from London. Die anderthalbstündige Überfahrt wird durchgequatscht, die Tommies sind selbstverständlich im deutsch-geführten Hostel „Biergarten“ untergebracht, wir wohnen „außerhalb“ (=fünf Minuten zu Fuß) in der Pousada „Overnativa“. Endlich geht’s die 50 Meter zum leeren Strand ins planschwarme Meer. Abends laden uns Ella und Phil zu selbstgemachten Caipis ein. Als wir auf Kneipentour völlig überraschend auf langjährige Freunde der beiden treffen, ist der weitere Verlauf inklusive zahlreicher 0,63l-Bierflaschen vorprogrammiert…Obwohl wir in einem Vierer-Dorm eingebucht sind, verzichtet der Rucksacktouristen-Gott darauf, uns in der ersten Nacht Mitbewohner aufs Auge zu drücken. Daumen hoch!
Tag número dois verbringen wir endlich so, wie es zu Hause alle von uns denken: Faulenzen am Strand unter einem schattigen Baum, Buch lesend und im warmen Wasser. Abends schonen wir unser Budget und kredenzen das traditionelle Backpacker-Essen Spaghetti mit Tomatensauce. Innerlich jubeln wir schon, doch mit Erreichen des späten Bootes werden unsere Träume zerstört. Wir bekommen Zuwachs im Zimmer. Die amerikanische Wedding Plannerin Casey und ihr bester (schwuler) Freund Tim belegen die freien Matratzen.
Auf dem Weg zum Supermarkt am nächsten Morgen begegnen wir dem britischen Häufchen Elend, dass sich am Vorabend total abgeschossen hat. Trotzdem werden wir sofort zu abendlichen Drinks an der Hafen’meile’ (be square or be square) eingeladen. Um uns für das zu erwartende binge-drinking zu schonen, entspannten wir mal wieder am Strand. Später werden uns satte 8 Euro für eine Stunde Internet abgeknöpft. Na ja, immerhin können wir Couchsurfing Anfragen für Sao Paulo rausschicken und ein Hostel in Paraty buchen. Die Kellner des Stammlokals sind aus irgendwelchen Gründen nicht mehr so freundlich wie an den Vortagen, die Engländer murmeln halbgare Erklärungen. Das Bier muss sich heute an der Theke selbst geholt werden.
Am letzten Tag auf der Ilha lassen wir uns zeitig zusammen mit den Engländern nach Lopes Mendes, einem abgelegenen Strand, schippern. Wir sind begeistert: Langer, feiner Sandstrand, türkisblaues, erfrischendes Meer, herrlich! Die dschungelartige Kulisse lässt LOST-Assoziationen aufkommen. Der aus dem Hostel geborgte Ball zeigt die weltweit üblichen Reaktionen. Schnell haben sich zwei Mannschaften für das Duell Seleçao versus Gringos gefunden. Wir gehen dank britischer Finesse und Didi Hamann-artiger Gründlichkeit locker mit 3:0 in Führung. Plötzlich kommt es zu einer zahlenmäßigen Dominanz der Brasilianer. Immer steht einer frei, schnell steht es 3:3 und ausgerechnet der gefühlte 95 cm große Nachwuchs-Ronaldinho schiebt zum entscheidenden Tor ein. Wir verabschieden uns als moralische Sieger in Richtung Wasser und stellen unter Beweis, warum sowohl Großbritannien als auch Deutschland noch nie Volleyball-Weltmeister wurden. Genau diese sportlichen Aktivitäten haben verheerende Folgen. Hennings Rücken nimmt lobsterartige Schattierungen an und auch Vera kriegt reichlich Sonne ab. Das traditionelle Farewell-Besäufnis mit den Engländern fällt aufgrund von Kotzerei und derbster Schmerzen flach.
Wie in guten alten Kolonialzeiten leisten wir uns einen Träger, der unsere Brocken nach dem Check out aus dem wirklich tollen Overnativa Hostel und der überaus herzlichen Chefin Cristina Richtung Fähre schleppt. Hennings gegrillter Rücken und Veras körperliche Konstitution lassen kein do-it-yourself zu. Zurück auf dem Festland freuen wir uns erst über die Zusage für eine Couch in Sao Paulo bei Steven und Patricia und erwischen dann direkt den local bus nach Paraty, einer kleinen Kolonialstadt an der Küste. Nach einer stickigen und mehr als holprigen Horrorfahrt holen wir uns am Busbahnhof mit unseren immer besser werdenden Portugiesisch-Kenntnissen direkt Tickets nach Sao Paulo für den nächsten Tag. Im Hostel wird im 9er Dorm gechillt, abends gibt es Veggie Cuisine am Strand.
Vor der mittäglichen Abfahrt streifen wir durch die von Kopfsteinpflastern und weißen Häuschen dominierten Altstadt, die einem Fischerdörfchen am Mittelmeer nicht unähnlich ist. Sechs Stunden Fahrt in die 10 Millionen Metropole Sao Paulo liegen vor uns…