Patnem, Anjuna, Mumbai, Indien // 16. – 23. Januar 2012
Dank der beeindruckenden Vielzahl nichtverschreibungspflichtiger Medikamente verschlafen wir eine erneute Tour mit Paolo komplett und sind überrascht, als wir um 4.15 Uhr morgens in Chaudi rausgeschmissen werden. 10 Minuten später setzen uns zwei Rikschas am Patnem Beach ab. Nach einer Unterkunft zu suchen, ist zu dieser Uhrzeit selbstverständlich zwecklos, so dass wir unsere Schlafsäcke auspacken und unser Lager im Sand aufschlagen. Es ist windig und recht kalt, so dass wir froh sind, als wir endlich eine kleine Hütte finden. Auch wenn Patnem im Süden Goas zu den ruhigeren Orten mit schönem Strand zählen soll, ist der Unterschied zum beschaulichen Gokarna riesig. Der berühmte Nachbarort Palolem quillt aus allen Nähten, und auch Patnem ist fernab vom einstigen Hippie-Exil, mit dem sich Goa einen Namen gemacht hat. Doch Pip & Duncan (mit dem Nachnamen „Band“, der nach Kindern namens Rock und Pop schreit) befinden sich in den letzten Atemzügen ihrer Reise, das Essen gut, das Kingfisher ist günstig, so dass wir uns schnell mit dem Fluch des Relaxens abfinden und eine Scooter-Tour in die Nachbarorte schon als anstrengend deklariert wird.
Wir verabschieden uns von The Band und schlagen nach drei Stunden in vier verschiedenen Bussen in Anjuna auf. Der Strand ist überfüllt mit Russen im Wodka-Delirium und Verkäufern, deren Ware irgendwo zwischen Kopfmassagegeräten, Kokosnüssen und Kokain rangiert, so dass wir mit unserer Bleibe im „Sound Of The Waves“ auf der abseits gelegenen Klippe mehr als zufrieden sind. Der Verkehr in Goa ist eine ganz andere Hausnummer als das Crash Car Racing in Rajasthan, so dass auch die Rollertour über die „belebte“ Straße nach Old Goa entspannt verläuft. Old Goa hat nicht viel mehr als eine Handvoll mehr oder minder beeindruckender Kirchen zu bieten, so dass wir noch einen Abstecher nach Arambol machen, wo wir Bernadette & Marco aus Berlin besuchen, die wir auf unserer Paolo-Horrortour nach Gokarna kennengelernt hatten. Auch hier ist absolut nichts mehr vom Aussteigertum vergangener Jahre zu sehen.
Auf unserer letzten Station in Indien werden wir mit einem Rundum-Sorglos-Paket verhätschelt. Sabine, ehemalige Arbeitskollegin von Hennings Vater, wohnt seit mehreren Jahren in Mumbai und arbeitet am deutschen Zweig der Internationalen Schule. Als der Taxifahrer auf dem Weg zu unseren Gastgebern versucht, uns schamlos im Kreis zu kutschieren und den Preis in wahnwitzige Höhen zu treiben, drohen wir mit unserer „Tante“ und ihrem indischen Mann, so dass der Nepper ohne Gage abzischt, als er Sabine und Captain Anil am Zielort aus dem Fahrstuhl kommen sieht. Die beiden schreiben Indian Hospitality ganz, ganz groß, quartieren uns luxuriös ein, und Sabine spielt für die Zeit unseren persönlichen Guide. Unser Chauffeur (richtig gehört, im Verkehr Mumbais aber auch nicht ganz unangebracht) wartet und sammelt uns jedes Mal ein, wenn zu dritt Gewürzkäufe erledigt, Gate of India, Taj-Hotel, die Post (erneute Extra-Kilos in die Heimat), Leopold’s (musste wegen „Shamtaram“ sein, aber eher enttäuschend), der Marine Drive und ein ultraleckeres Restaurant abgeklappert werden. Pappsatt, müde und erschlagen fallen wir wie Aschenputtel-Backpacker in die Betten unseres Märchenschlosses. An unserem letzten Tag in Indien schlafen wir aus und fahren zum Kanheri-Nationalpark. Keine zwei Stunden vom bombastischen Bombay entfernt, finden sich hier inmitten eines Regenwaldes in Felsen gehauene Höhlen buddhistischer Mönche. Auch viele Inder suchen an diesem Sonntag die Ruhe dieses abgeschiedenen Ortes. Abends entführen uns Sabine & der Captain in den Mumbai Cricket Club, Hennings tief im Rucksack vergrabenes Hemd hat seinen großen Auftritt und kommt sogar in Kontakt mit einem Dampfbügeleisen. Der MBC ist mehr als nur edel, der überaufmerksame Service für uns ungewohnt, das indische Buffet göttlich. Spät abends bringt uns Anil auch noch zum Flughafen, während der Fahrt müssen wir diese letzte Indien-Etappe erst einmal verarbeiten. Sabine & Anil, Dhanyavaad!!! Findet man normalerweise an Flughäfen auf der ganzen Welt immer eine ruhige Ecke für die Nacht, spielt es – wie soll es in Indien auch anders sein -am Chhatrapati Shivaji-Airport keine Rolle, ob es 4 Uhr morgens oder 4 Uhr nachts ist – es geht zu, wie in einem Bienenstock. Früh morgens verlassen wir per IndiGo-Flieger nach Bangkok dieses schwer in Worte zu fassende Land mit einer Million an schönen und schlechten, umwerfenden und ungewohnten, absurden und abschreckenden, aber definitiv niemals langweiligen Eindrücken im Gepäck. In knapp zwei Monaten haben wir zwar eine Menge gesehen und gelernt, nur kapieren tun wir Indien deshalb noch lange nicht. Kann man es überhaupt? Aber genug des Sinnierens….