Hier findest Du Informationen und Tipps für die Mehrtageswanderung im Torres del Paine Nationalpark: 5 Tage lang trekken wir mit Sack und Pack das “W”.
Blisters In The Sun
Puerto Natales & Torres del Paine National Park – Chile
2. – 10. März 2011
Als wir um viertel vor 7 verschlafen an der Bushaltestelle aufschlagen, wartet bereits das Pärchen aus dem Ruhrgebiet auf uns. Außerdem mit an Bord: Team OzGB, das in den kommenden Wochen zu Freunden werden soll: Fiona, Laura & Rea aus England, sowie die Aussies Kate und Alex. Unterwegs tricksen wir gemeinsam die chilenischen Zollbeamten (keine Früchte, keine Milchprodukte, Fleisch sowieso nicht, Staub ist erlaubt) aus und verspeisen genüsslich Bananen (Scanner sollten ihre Form eigentlich erkennen) und Käse-Sandwiches. Die Umsteigepause in Punta Arenas nutzen wir, um Hunderttausende Pesos abzuheben. Wir blenden aus, dass 650 chilenische Pesos gerade mal 1€ sind und fühlen uns stinkend reich.
Spätabends kommen wir (Vera, Kate, Henning) im The Singing Lamb an und sind sprachlos. Das Wort Hostel ist eine maßlose Untertreibung; ein 4-Sterne-Bed & Breakfast trifft schon eher auf das von Neuseeländerin Susan betriebene Gästehaus zu. In der Küche werden wir von Peter & Sanne, die bereits in Rio Hostelmitbewohner waren, begrüßt. Die beiden Holländer sind vor ein paar Stunden von ihrem 5-Tages-Hike zurückgekehrt und bereiten uns auf unser Abenteuer vor: Das W zu den Torres del Paine.
Den letzten Tag mit Dach über dem Kopf verbringen wir mit Vorbereitungen. Der obligatorische 3 o’clock-Talk bei Paul im Erratic Rock ist eine gute Vorbereitung für alle Wanderungen im Torres del Paine Nationalpark, das Horten von Verpflegung und Zusammenstellen des Equipments. Abends verzweifeln wir leicht beim Packen der Rucksäcke – wie es ausschaut, wird jeder von uns ca. 15 Kilo auf die anstehende 75km-Wanderung zu den Torres del Paine mitnehmen.
Torres del Paine – die Wanderroute des “W”
Tag 1 beginnt um 6.30 Uhr, Susans exzellentes Frühstück (hausgebackenes Brot, selbsteingemachte Marmelade, frisches Rührei) wirkt wie eine Art Henkersmahlzeit. Um 7.30 steht der Bus vor der Tür und fährt uns in den Torres del Paine Nationalpark, wo wir gegen Mittag den Katamaran besteigen, der uns zum Startpunkt unseres Treks im Südwesten des Ws bringt. Gemeinsam mit Team OzGB geht es 6 Stunden bergauf und bergab zum Ziel: Glacier Grey. Die Tortur (besonders die letzten Kilometer zwischen Refugio Grey und Campamento Las Guardas erweisen sich als höllisch) wird durch ein Dinner (Fertigpasta) am Gletscher entschädigt. Eintreffende Feuerwehrmänner beruhigen uns, dass das Feuer (!?!?!?) in der Nähe nun endgültig gelöscht und unter Kontrolle sei. Beruhigend… Nun können wir nur noch hoffen, dass sich unsere gelben Mini-Zelte als wasserdicht erweisen. Licht aus um halb 10.
Tag 2 beginnt mit wunden Füßen, blauen Hüftknochen, schmerzenden Schultern und dem typischen W-Frühstück: Weizenbrei mit getrockneten Früchten. Energiereich und (wichtig!) leicht zu transportieren. Für die anspruchsvolle Strecke zurück zum Ausgangspunkt benötigen wir 5 ½ Stunden, am Refugio Paine Grande fällt es uns verdammt schwer, den Stopp nicht auf eine Übernachtung auszudehnen. Stattdessen quälen wir uns zum Campamento Italiano, dem Campingplatz am Fuße des Valle del Francés. Doch das Tagesziel will und will einfach nicht kommen. Der vermeintlich „leichte“ Track lässt erste Gedanken ans Aufgeben aufkommen. Wir fluchen, haben Schmerzen, wollen einfach nicht mehr. Erst zweieinhalb Stunden später überqueren wir die Hängebrücke zum Campground und legen uns nach einem kurzen Dinner (Dinner-Alternative 2: Fertigreismischung) schnurstracks ab. Im Nachhinein betrachtet der schwerste Tag des Ws.
Mit nur leichtem Gepäck trekken wir am dritten Tag durchs grüne Franzen-Tal, mit kompletter Ausrüstung ist der felsige, nicht wirklich befestigte Weg sicherlich kein Zuckerschlecken. Uns wird klar, warum das Vallee für viele W-Stammgäste ein Lieblings-Spot ist. Wasserfälle, reißende Flüsse, beeindruckende Berge, tolle Aussicht ins Tal. Zurück am Zeltplatz packen wir unsere gelben Herbergen zusammen, packen die Rucksäcke und machen uns bei strahlendem Sonnenschein auf zu unserem Tagesziel Refugio Los Cuernos. Gegen ihre starken Schulterschmerzen packt sich Vera Taschentuchpackungen als Polster unter die Riemen. Während der rund zweieinhalbstündigen Wanderung machen wir Mittagspause (traditionell: zwei kalte Tortillas mit Käsescheiben, dazu getrocknete Früchte) und sonnenbaden am Felsenstrand des Parks. Bereits um 15.15 Uhr erreichen wir das Refugio mit Campingplatz inklusive Seeblick und haben als Frühankömmlinge Vorrecht auf einen sicheren (windgeschützt/trocken) Platz. Wir gönnen uns den Luxus einer Dusche. Als das Wetter urplötzlich umschlägt (riesige Wolken, orkanartiger Wind, Mini-Tornados auf dem See) denken wir an Team OzGB, das bis auf Kate eine gute Weile hinter uns gestartet ist. Wir empfangen die vier vom Winde Verwehten mit heißem Tee. Zur Abwechslung gibt es wieder Pasta. Das Wetter beruhigt sich wieder, die Nacht bleibt trocken und als Vera nachts um 3 für kleine Hiker muss, offenbart sich ihr ein Sternenhimmel, für den sie sogar Henning wecken muss.
Da der vorletzte Tag des W auf der (nicht immer ganz akkuraten) Karte alles andere als harmlos erscheint, stehen wir früh auf. Dafür werden wir mit einem Sonnenaufgang, der die umliegenden Berge rot färbt, belohnt. Wir sind erleichtert, als wir den Insider-Tipp Shortcut nicht verpassen. Diese Abkürzung hat es zwar in sich, wird uns aber eine Stunde Hiken ersparen. Nach der Abkürzung geht es fast nur noch steil bergauf, alle fünf Minuten wollen wir uns am liebsten eine genauso lange Pause gönnen. Doch die Zeit ruft. Kurz am Refugio Chileno Kräfte getankt, haben wir auf dem letzten Abschnitt des Tages immer wieder das landschaftliche Highlight des Parks im Blick: Die Torres del Paine. Nach weiteren anderthalb Stunden bergauf schlagen wir unsere Zelte im Campamento Torres auf. Nach und nach trudeln alle Leute, die man im Laufe der letzten Tage immer wieder gesehen hat, ein und Vorfreude auf den letzten Morgen mit Sonnenaufgang bei den Türmen macht sich breit. Wir stoßen mit Team OzGB mit Tee auf das bereits Erreichte an.
Highlight am letzten Tag des “W” – die Torres del Paine
Tag 5, 5.15 Uhr: Ein letztes Mal werden die zahlreichen Blasen getapet. Mit Frühstück, Schlafsack und Kameras auf dem Rücken kraxeln wir eine Stunde lang im Dunkeln zu den Türmen. Die unablässigen Kopflampen (laut Erratic-Rock-Mentor Paul „the coolest invention ever“) lassen das Tal beim Blick zurück wie den Schauplatz eines Glühwürmchen-Exodus erscheinen. Gemeinsam mit den Dänen Andrea und Morten kochen wir am Fuße der Türme Tee und Brei auf, warten in Schlafsäcken eingemummelt auf das Naturspektakel. Die verhassten Wolken bleiben von den Torres del Paine fern und ermöglichen uns so die seltene, uneingeschränkte Sicht auf alle drei Türme. Einzig und allein der Sonnenaufgang wird um 7.15 Uhr vom grauen Himmel auf gerade einmal 45 Sekunden beschränkt, es gilt genau jetzt nicht mit Gaskocher oder Schuheschnüren beschäftigt zu sein. Wer am längsten ausharrt, wird noch mit dem Abgang eines Schneebrettes belohnt.
Gerade als wir beginnen, unsere Zelte ein letztes Mal zusammenzufalten, kommt genau das, was das W zu einem Höllentrip machen kann: Regen! Kate schickt uns vor, da ihre Knie arg in Mitleidenschaft gezogen worden sind und sie die Rückkehr mit dem Spätbus einplant. Wir trotzen dem Regen und begeben uns mit forschem Schritt talwärts. Kurz hinter der Mittelstation Chileno gibt es zwei gute Nachrichten: Kate ist immer noch in Sichtweite hinter uns und… der Regen stoppt! Was jedem W-Hiker garantiert wird und schon so machen zur (verständlichen) Aufgabe gezwungen hat, dauert bei uns gerade mal zwei Stunden. Glückspilze! Die letzten 2,4 Kilometer zum Endpunkt Hosteria Las Torres schlendern wir gutgelaunt bergab und grüßen all jene Entgegenkommenden, die die Strapazen noch vor sich haben, extra freundlich. Um Punkt 12 Uhr fallen wir uns glücklich und erschöpft in die Arme. Wir sind Finisher! Wir flätzen uns mit all den anderen auf die Wiese, gönnen uns Eis, Sofdrinks, Bier und Zigaretten und verkürzen uns die Wartezeit aufs Shuttle mit Geschichten übers soeben Erlebte.
Zurück in Puerto Natales werden schnurstacks Equipment und Wäsche (wenn die Laundry-Angestellten angesichts der Masse an gereiften Wandersocken keine Nasenklammern tragen) abgegeben. Wir belohnen uns mit Pizza 8fach-Käse, Brownie-Eis und reichlich eisgekühltem Cerveza Austral. Oh wie schön ist Lammama (The Singing Lamb).
Tag1 nach dem W lecken wir unsere Wunden, Henning verlässt das Haus nicht und guckt sich Magaths letzten CL-Auftritt live an. Das schon im Torres del Paine Nationalpark verloren geglaubte Maskottchen Hugo taucht wieder auf…Vera treibt in einem Souvenirshop für uns Ehrenurkunden auf. Verdient!